Sonntag, 9. November 2014

PKV-Tarifwechsel: Fallen Sie nicht auf Milchmädchen-Rechnungen herein!

Im Herbst, wenn private Krankenversicherungen ihre Beitragsbescheide für das nächste Jahr verschicken, haben Tarifwechsel-Berater Hochkonjunktur. Ohne einen Verlust der Rückstellungen für das Alter suchen sie bei Ihrem PKV-Unternehmen eine günstigere Versicherung für Sie. Doch solchen "Experten" sollte man sich keinesfalls blind anvertrauen. Denn die haben womöglich ein finanzielles Interesse daran, Sie extrem schlecht zu beraten.

Viele Makler, die sich auf Tarifwechsel spezialisiert haben, werden nur im Erfolgsfall entlohnt. Wenn der Makler bei Ihrer Krankenversicherung einen günstigeren Tarif für Sie findet, dann bekommt er beispielsweise das Zehnfache der monatlichen Ersparnis, plus Mehrwertsteuer. Das wäre ein üblicher Satz. Klingt doch erst mal gut: Der Makler hat anscheinend genau das gleiche Interesse wie Sie. Je günstiger der neue Tarif ist, den er für Sie findet, je mehr sparen Sie - und je mehr Honorar erhält er. Anders als beim allgemeinen Beratungsdilemma in der PKV scheinen Sie diesmal mit dem Makler tatsächlich in einem Boot zu sitzen.

Doch das ist eine Milchmädchen-Rechnung. Denn für den Makler, der nach obigem Honorar-Modell entlohnt wird, ist - wenn man sein finanzielles Eigeninteresse zum Maßstab nimmt - vermutlich nur Ihr Monatsbeitrag interessant. Diesen muss er maximal absenken, um das höchst mögliche Honorar zu bekommen. Sie persönlich müssen sich jedoch darüber klar sein, dass  sich Ihre tatsächlichen Krankheitskosten aus der Summe des Versicherungsbeitrags und der Kosten der nicht versicherten Leistungen ergeben. Was also in dem Billigtarif nicht versichert ist, das müssen Sie gegebenenfalls aus eigener Tasche zahlen. Und da geht es nicht nur um womöglich entbehrlichen Luxus wie ein Einzelzimmer im Krankenhaus, sondern auch um kaum vermeidbare Kosten.

Ein einfaches Beispiel: Sie benötigen Zahnersatz für 2000 Euro. In Ihrem alten Top-Tarif erhalten Sie 80 Prozent Erstattung, also 1600 Euro. 400 Euro müssen Sie entsprechend selbst berappen. In dem billigeren Tarif gibt es eine Selbstbeteiligung von 1000 Euro (das ist übrigens sehr gängig: "Tarifwechsel-Makler" empfehlen nicht selten Tarife, die vor allem deswegen billiger sind, weil sie eine hohe Selbstbeteiligung enthalten). Darüber hinaus erstattet der Billigtarif auch nur 50 Prozent der Kosten für Zahnersatz. Entsprechend bekommen Sie für die ersten tausend Euro gar nichts und für die zweiten tausend Euro 500 Euro Erstattung. Jetzt müssen Sie also 1500 Euro aus eigener Tasche zahlen - 1100 Euro mehr als in dem Top-Tarif. Das Honorar des Maklers wird dadurch aber nicht geringer. Ihm kann Ihre hohe Zuzahlung völlig egal sein.

Wenn Sie Angestellter sind, ist ein Billig-Tarif mit hoher Selbstbeteiligung übrigens meist doppelt misslich, denn während Ihr Arbeitgeber sich an dem teuren Tarif bis zur Höhe des maximalen Beitrags zur gesetzlichen Krankenkasse beteiligt, zahlen Sie einen Selbstbehalt komplett aus eigener Tasche. Und an der Ersparnis durch den geringeren Beitrag erfreut sich womöglich auch Ihr Arbeitgeber. Wenn Sie etwa von einem Tarif für monatlich 600 Euro in einen wechseln, der nur 300 kostet, dann sparen Sie selbst nur 150 Euro. Die restliche Ersparnis gehört Ihrem Arbeitgeber.

Das Finanzamt macht einen Strich durch viele Rechnungen


Und damit ist die Geschichte noch immer nicht zu Ende, denn jetzt tritt das Finanzamt auf den Plan. In Deutschland kann man die Kosten einer privaten Krankenversicherung als Vorsorgeaufwändung von der Steuer absetzen. Der Fiskus zahlt also einen erheblichen Anteil Ihrer PKV-Kosten mit, jedenfalls so lange Sie steuerpflichtige Einkünfte haben. Selbstbehalte hingegen lassen sich nicht absetzen - so die gängige Praxis der Finanzämter, die durch das Finanzgericht Köln bestätigt wurde (über eine Beschwerde beim Bundesfinanzhof ist noch nicht entschieden).

Unter dieser Voraussetzung bleibt nur die Möglichkeit, die verbleibenden Kosten nicht als Vorsorgeaufwändung sondern als als außergewöhnliche Belastung abzusetzen. Doch das geht nur, wenn die Ausgaben eine bestimmte Höhe des jährlichen Gesamteinkommens überschreiten. Alles darunter gilt als zumutbare Belastung. Für einen kinderlosen, unverheirateten Durchschnittsverdiener, der laut Statistischem Bundesamt 31.000 Jahresbrutto hat, bedeutet dies, dass er außergewöhnliche Belastungen erst ab einer Höhe von 1860 Euro steuermindernd geltend machen kann. Wer als Privatversicherter im Bereich der Versicherungspflichtgrenze (54.900 Euro Jahresbrutto) verdient, kann außergewöhnliche Belastungen erst ab einer Höhe von 3843 Euro geltend machen (kinderlos, unverheiratet). Selbst wer bei diesem Einkommen verheiratet ist und mindestens drei Kinder hat, zahlt die ersten 1089 Euro noch selbst, bevor sich der Fiskus beteiligt.

PKV-Unternehmen vereinfachen Tarifwechsel


Weil ein Tarifwechsel in der privaten Krankenversicherung ein derart vielschichtiges Problem ist, würde ich persönlich keinen Makler beauftragen, für den aus finanzieller Sicht nur der Monatsbeitrag interessant ist.

Die Makler sind als "Wechsel-Experten" erst dadurch so richtig ins Spiel gekommen, dass nicht wenige private Krankenversicherungen einen Tarifwechsel erschwert haben, etwa in dem sie Informationen über günstigere Tarife gar nicht oder nur widerwillig herausgegeben haben, entsprechende Kundenanfragen verschleppten oder irreführend beantworteten.

Das hat der Branche viel öffentliche Kritik eingebracht, und sie hat mittlerweile reagiert. Der PKV-Verband veröffentlichte einen Leitfaden für den Tarifwechsel (hier eine Kurzfassung.) Die an der Aktion teilnehmenden Unternehmen sichern darin sinngemäß unter anderem zu, dass sie wechselwilligen Kunden schnell und umfassend Informationen über alternative Tarife zukommen lassen werden.

Das Unternehmen, bei dem ich krankenversichert bin, hat mir schon Monate vor der Veröffentlichung des Leitfadens einen Brief mit Online-Zugangsdaten geschickt. Damit kann ich mich auf der Homepage des Versicherers einloggen und sehe nicht nur, wie viel ich in meinem eigenen Tarif zahle, sondern auch, wie hoch die Ersparnis bei einem Wechsel in die beiden anderen angebotenen Bisex-Tarife (s.u.) wäre - und welche Leistungseinschränkung damit verbunden wäre natürlich.

Das ist mehr als übersichtlich - und ich brauche für diese Informationen ganz sicher keinen Makler mehr. Andere Unternehmen bieten mittlerweile ähnliche Übersichten über ihren Tarifbestand an, online oder auch schriftlich.

Gesundheitsprüfung, Mehrleistungen, Unisex oder Bisex - was sonst noch wichtig sein kann


Allerdings sollte man bei Interesse an einem Tarifwechsel nicht nur auf den Preis und die dafür gebotene Leistung achten. Darüber hinaus sind weitere Punkte wichtig:

Wenn Ihr möglicher neuer Tarif Mehrleistungen enthält, dann darf der Versicherer eine erneute Gesundheitsprüfung durchführen. Fällt diese negativ aus, darf man Ihnen den Tarifwechsel zwar nicht verweigern, die Mehrleistung kann aber ausgeschlossen werden. Sie blieben dann in diesem Punkt versichert wie in ihrem alten Tarif.

Daraus folgt auch, dass ein Wechsel in einen leistungsschwächeren Tarif in vielen Fällen faktisch endgültig ist. Wenn Sie später wieder in einen besseren Tarif wollen, weil sich Ihre wirtschaftliche Situation gebessert hat oder Sie spätestens bei der Steuererklärung (s.o.) merken, dass Sie sich beim Billigtarif gewaltig verkalkuliert haben, dann können Sie zwar formal wieder zurück wechseln, aber der Versicherer kann bei negativer Gesundheitsprüfung alle Mehrleistungen ausschließen.

Bedenken Sie, dass schon eine Reduktion des Selbstbehalts eine Mehrleistung ist, die man Ihnen verweigern kann! Insofern macht es keinen Sinn, jetzt einen hohen Selbstbehalt zu wählen, in der Hoffnung, nicht krank zu werden, um ihn dann im Alter, wenn die Krankheitskosten im Regelfall deutlich steigen, wieder abzusenken. Auf die Idee sind schon andere gekommen - und das macht mutmaßlich kein Versicherer mit.

Als Mann mit einem Versicherungsvertrag, der vor dem 21.12. 2012 abgeschlossen wurde, sollten Sie zudem darauf achten, ob der von Ihnen ins Auge gefasste Tarif zur derzeit aktuellen Unisex-Welt gehört oder noch zur alten Bisex-Welt. Die ist nämlich für Männer günstiger, weil sie sich ihre Krankheitskosten nicht mit den meist teureren Frauen teilen müssen. In der Unisex-Welt hingegen darf beim Versicherungsbeitrag nicht mehr nach dem Geschlecht unterschieden werden. Die Regel für einen Wechsel ist einfach: Wenn Sie noch einen alten Bisex-Vertrag haben, können Sie in andere Bisex-Tarife wechseln. Wenn Sie aber irgendwann einmal in einen Unisex-Tarif wechseln, kommen Sie nie wieder in die Bisex-Welt zurück! Und alle Neuverträge sind ohnehin automatisch Unisex-Verträge.

Sozialtarife der PKV als Alternative in Notfällen


Unterm Strich ist meine Empfehlung: Wechseln Sie nicht leichtfertig in einen Billigtarif, nur um mehr Geld für den nächsten Urlaub oder einen Sechszylinder zu haben. Manche erhoffte Ersparnis gibt es faktisch nicht, beispielsweise weil höhere Selbstbehalte und Zuzahlungen anfallen, der Arbeitgeber einen Teil der Ersparnis kassiert oder das Finanzamt einen Strich durch die Rechnung macht. Außerdem ist die Leistungsverschlechterung in vielen Fällen endgültig - Sie können den Fehler womöglich nicht rückgängig machen.

Im Einzelfall aber, vor allem dann, wenn Ihr Versicherer eine große Zahl von Tarifen anbietet, weil er häufig einen neuen auflegt, kann es auch einen Tarif mit vergleichbaren Leistungen geben, der tatsächlich etwas günstiger ist. Das könnte daran liegen, dass in den einzelnen Tarifen nur wenige Versicherte pro Jahrgang sind, so dass die Wahrscheinlichkeit von statistischen Ausreißern zunimmt. Es fällt dann sehr ins Gewicht, ob es beispielsweise ein paar mehr oder ein paar weniger sehr teure HIV-Patienten Ihres Geburtsjahrgangs in dem jeweiligen Tarif gibt.

Was jedoch, wenn Sie ernsthaft in finanziellen Schwierigkeiten sind und den Versicherungsbeitrag für einen guten Tarif beim besten Willen nicht stemmen können? Dann sollten Sie sich über die beiden Sozialtarife der privaten Krankenversicherung informieren. Im Notfall ist - wenn die Voraussetzungen erfüllt sind - eine deutliche Absenkung des Beitrags erreichbar. Der PKV-Verband hat dazu eine Broschüre herausgegeben, die Sie >hier herunterladen< können (6,8 MB)

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