Montag, 3. November 2014

PKV-Schnäppchen für Selbstständige? Billig ist meist viel zu teuer...

Die Luxusklasse zum Schnäppchenpreis - das versprechen Anzeigen, die mit Monatsbeiträgen von 59 Euro für die private Krankenversicherung werben. Einmal davon abgesehen, dass es zu diesem Preis tatsächlich kaum Angebote gibt - falls Sie wirklich eines finden, sollten Sie es auf keinen Fall abschließen. Wer sich einen teureren Tarif nicht leisten kann, sollte gerade als Selbstständiger besser in der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben.

Die Billig-Tarife waren eine Reaktion einiger PKV-Unternehmen auf die Politik der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder. Die hatte es gut verdienenden Angestellten deutlich schwerer gemacht, in die private Krankenversicherung zu wechseln. Unter anderem wurde eine Regelung eingeführt, nach der Angestellte mindestens drei Jahre oberhalb der Versicherungspflichtgrenze verdienen mussten, bevor sie wechseln können. Zuvor hatte ein Jahr genügt (wie mittlerweile auch wieder). Da also das Geschäft 2007 mit gut verdienenden Angestellten ziemlich eingebrochen war, konzentrierten sich einige Unternehmen auf schlecht verdienende Selbstständige wie notleidende Handwerker oder "kleine" Kioskbesitzer und schneiderten für sie Billigtarife zurecht, die dann aggressiv vermarktet wurden.

Da nun auch eine private Krankenversicherung kein Geld drucken kann, um für 59 Euro Monatsprämie top Leistungen zu bieten, sind Billigtarife aus drei Gründen billig:

1.: Sie bieten entweder sehr schlechte Leistungen, d.h. bei Arzthonoraren wird beispielsweise nur bis zu einem geringen Steigerungssatz gezahlt, etwa dem 1,7-fachen statt dem üblichen 3,5-fachen Satz, und für Zahnersatz gibt es kaum etwas, Leistungen wie Psychotherapie sind extrem eingeschränkt oder komplett ausgeschlossen, und die Chefarztbehandlung im Einzelzimmer gibt es natürlich sowieso nicht. Das sind die offenkundigen Punkte, und man kann "im Kleingedruckten" natürlich noch viel mehr Leistungen ausschließen, was erst mal kaum jemandem auffällt.

2.: Und/oder der Billigtarif beinhaltet eine hohe Selbstbeteiligung. Rechtlich sind in Deutschland Tarife zugelassen, bei denen die Versicherten bis zu 5000 Euro ihrer Krankheitskosten im Jahr selbst tragen müssen.

3.: Einige Tarife waren womöglich auch bewusst unterkalkuliert, um neue Kunden zu gewinnen. Das ist zwar verboten, aber auch schwer nachzuweisen.

Aus welchem Grund auch immer ein Billigtarif nun billig ist (oft ist es eine Mischung aus obigen Punkten), meist kommt ein solcher Tarif die Versicherten langfristig teuer zu stehen. Offenkundig ist das bei den Leistungseinschränkungen. So darf ein Arzt etwa bis zum 3,5-fachen Satz der Gebührenordnung abrechnen (das steht ihm faktisch zu, er muss es nur begründen können, was kein Kunststück ist). Wenn eine Versicherung nur den 1,7-fachen Satz erstattet, bedeutet dies, dass die PKV-Kunden mehr als die Hälfte des Arzthonorars selbst tragen müssen, wenn der Arzt auf dem Höchstsatz besteht.

Hohe Selbstbeteiligungen in Billigtarifen können langfristig zu explosionsartigen Beitragssteigerungen führen


Bei vielen Tarifen mit hoher Selbstbeteiligung sind kräftige Beitragssteigerungen vorprogrammiert. Das liegt an einem mathematischen Automatismus, der weitaus weniger offenkundig ist als Kosten, die durch Leistungseinschränkungen entstehen können. Kritisch wird es immer dann, wenn im Laufe der Zeit durch Preissteigerungen im Gesundheitswesen die Kosten pro Versichertem höher liegen als die vereinbarte Selbstbeteiligung. Ein einfaches Beispiel:

Nehmen wir zwei Versicherte, die beide Krankheitskosten von genau 5001 Euro im Jahr verursachen. Der eine hat einen Top-Tarif ohne Selbstbeteiligung, der andere zahlt die ersten 5000 Euro selbst und bekommt von der Versicherung folglich einen Euro erstattet. Im Jahr darauf steigen die Ausgaben beider Versicherten nun geringfügig auf 5010 Euro. Für die Versicherung bedeutet das Folgendes: Die Ausgaben für den Kunden im Top-Tarif sind unter sonst gleichen Bedingungen um 9 Euro gestiegen, das entspricht 0,002 Prozent. Der Beitrag wird also mutmaßlich stabil bleiben. Für den Kunden im Billigtarif sind die Ausgaben ebenfalls um 9 Euro gestiegen. Vorher lagen sie jedoch nur bei einem Euro, was einer Kostensteigerung aus Sicht der Versicherung von satten 900 Prozent entspricht. Von stabilen Beiträgen können Sie in diesem Fall wohl nur träumen.

Klar macht das Beispiel: In den ersten Jahren, wenn die Krankheitskosten deutlich unterhalb der vereinbarten Selbstbeteiligung liegen, ist alles gut. Kritisch wird es, wenn durch Preissteigerungen im Gesundheitswesen (nicht durch den Kostenanstieg durch Alterung der Versicherten, der ist von Anfang an mit einkalkuliert) die Schwelle erreicht wird, bei der die Versicherung tatsächlich Leistungen erbringen muss - und zwar nicht nur im Ausnahmefall einer schweren Erkrankung.

Später in einen besseren Tarif wechseln geht oft nicht


Nicht Wenige haben in jungen Jahren einen Billigtarif abgeschlossen, weil sie für ihre Existenzgründung jeden Euro brauchten, sie hatten aber immer vor, später, wenn sie sich etwas Wohlstand erarbeitet haben, in einen besseren Tarif zu wechseln. Davon sind auch viele Versicherungen ausgegangen und haben dem oben beschriebenen Problem, dass irgendwann die Grenze der Selbstbeteiligung erreicht ist und sie tatsächlich für ihre Kunden zahlen müssen, keine übergroße Bedeutung beigemessen. Doch es kam in vielen Fällen anders.

Einerseits liegt das daran, dass ein Wechsel mit zunehmendem Alter immer schwieriger und teurer wird. Wer ernsthaft erkrankt - oder auch nur stark übergewichtig wird - dem wird in vielen Fällen keine Top-Absicherung mehr offen stehen. Versicherungen dürfen bei einem Tarifwechsel eine Gesundheitsprüfung durchführen und Mehrleistungen im Falle von Vorerkrankungen oder hohen Risiken verweigern. Zu Mehrleistungen zählt übrigens auch eine geringere Selbstbeteiligung. Sie könnten dann zwar den Tarif wechseln, hätten aber womöglich trotzdem nur die gleichen Leistungen wie im Billigtarif, weil der Versicherer sämtliche Mehrleistungen verweigert.

Deswegen sollten Sie - das ist mein Rat - nur einen Tarif abschließen, in dem Sie notfalls ein Leben lang bleiben können - also auch im Alter, wenn Sie viele Leistungen benötigen.

Manche Versicherung bietet an, dass jeder innerhalb einer bestimmten Frist (oft 5 Jahre) ohne Gesundheitsprüfung in einen besseren Tarif wechseln kann. Das klingt erst mal gut, kann Sie aber in eine sehr unangenehme Situation bringen. Was, wenn in 5 Jahren die Selbstständigkeit noch immer nicht viel mehr einbringt? Geben Sie dann Ihre eigenständige Existenz auf, weil Sie sich keine bessere Krankenversicherung leisten können? Sie können jedenfalls nicht zurück in die gesetzliche Krankenversicherung, so lange Sie selbstständig bleiben. Entweder wechseln Sie in einen besseren Tarif, ohne ihn sich wirklich leisten zu können, oder Sie bleiben über die 5-Jahres-Grenze hinaus in dem Billigtarif und riskieren, da nie wieder raus zu kommen.

Das kostet die GKV für Selbstständige


Ein Tarif, in dem Sie ein Leben lang bleiben können, dass kann zum Beispiel die Standardabsicherung der gesetzlichen Krankenkassen sein. Die ist - auch wenn mitunter das Gegenteil behauptet wird - durchaus umfassend. Wenn Sie auf bestimmten Luxus wie Einbettzimmer oder Chefarztbehandlung nicht verzichten wollen, können Sie das später - sobald es ihr Budget erlaubt - auch über eine Zusatzversicherung absichern. In der gesetzlichen Krankenkasse zahlen Sie knapp 250 Euro monatlich (mit Pflegeversicherung und Krankengeld), wenn Sie einen Gründungszuschuss der Bundesagentur für Arbeit erhalten. Andernfalls werden knapp 370 Euro fällig (Beitragsrechner).

Sind "mittlere Tarife" der PKV eine Alternative?


Die Beiträge zur GKV sind gerade für Selbständige nicht geschenkt - und so bleibt die Nachfrage nach privaten Alternativen hoch. Sicher ist es nicht so, dass eine private Krankenversicherung nur dann etwas taugt, wenn es ein Top-Tarif ist.  Auch eine Absicherung auf dem Niveau der gesetzlichen Versicherung kommt in Frage. Der Tarif sollte dann aus obigen Gründen aber keine riesige Selbstbeteiligung haben, keine Leistungsausschlüsse bei gravierenden Erkrankungen, und er sollte bis zum Höchstsatz der Gebührenordnung erstatten. Dabei ist - je nach Konzern und Tarif - für einen 25-Jährigen beispielsweise eine Ersparnis von 100 Euro im Monat möglich. Je älter man bei Vertragsabschluss ist, umso weniger wird es.

Sie sollten bedenken: Diese hundert Euro Ersparnis können sehr sauer verdientes Geld sein. Denn solche Tarife enthalten oft Zusatzbedingungen, etwa das Hausarztprinzip. Wenn Sie ohne Überweisung direkt zu einem Facharzt gehen, müssen Sie womöglich einen Teil der Kosten selbst tragen. Bei Medikamenten ist es oft so, dass Sie die volle Erstattung nur bekommen, wenn Sie Produkte eines bestimmten Herstellers kaufen, mit dem Ihre Versicherung besondere Verträge hat. Beim Zahnersatz kann es sein, dass Sie ein bestimmtes Partnerlabor nutzen müssen, um die maximale Erstattung zu erhalten.

Sie sollten sich darüber klar sein, dass Sie sich mit den Details eines solchen Tarifs intensiv beschäftigen müssen, um möglichst alle Regelungen zu kennen und ungewollte Kosten zu vermeiden. Das ist zumindest aufwändig - und wenn Sie mit 40 Fieber und Privatrezept in der Apotheke stehen und dort erst mal rausfinden müssen, welcher Antibiotika-Hersteller gerade der aktuelle Kooperationspartner ihrer privaten Krankenversicherung ist, dann kann das regelrecht ätzend werden.

Neu-Selbstständige haben es in der privaten Krankenversicherung oft schwer


Wenn Sie ganz neu selbstständig sind, müssen Sie auch damit rechnen, dass Sie viele private Krankenversicherungen ablehnen, insbesondere wenn Sie in Branchen arbeiten, bei denen ein hohes Einkommen nicht unbedingt garantiert ist. Das betrifft Sie nicht so sehr, wenn Sie sich als Anwalt niederlassen wollen, aber als Kioskbesitzer oder freischaffender Künstler haben Sie womöglich eher schlechte Karten, eine private Versicherung zu finden. Denn die will oft Steuerbescheide aus den vergangenen Jahren sehen, um sicherzustellen, dass Sie sich die PKV auch leisten können. Da in Deutschland mittlerweile eine allgemeine Versicherungspflicht herrscht, kann Sie die Versicherung nämlich nicht einfach rauswerfen, wenn Sie die Beiträge nicht mehr zahlen können - und deswegen wird bei Vertragsabschluss die Bonität sehr genau überprüft, um das Risiko säumiger Zahler zu minimieren.

Solche Einschränkungen gibt es bei der gesetzlichen Versicherung nicht. Die muss jeden nehmen. Insofern kann es eine sinnvolle Strategie sein, erst in späteren Jahren gegebenenfalls in die PKV zu wechseln, dann wenn das Einkommen halbwegs gesichert ist und man sich auch einen guten Tarif leisten kann, der ein Leben lang trägt.

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