Samstag, 11. Oktober 2014

Was ist langfristig billiger: PKV oder GKV?

Für Selbstständige, aber auch für Angestellte, deren Einkommen oberhalb der Versicherungs-pflichtgrenze liegt, ist es oft das wichtigste Kriterium überhaupt, wenn es darum geht zu entschscheiden, ob ein Wechsel in die private Krankenversicherung angestrebt wird: Was ist langfristig billiger? Ich habe auch keine Glaskugel, in der ich die Zukunft vorhersehen kann, aber es gibt schon Einiges, was man auf diese Frage antworten kann.

Zunächst einmal muss man sich klar darüber sein, dass sowohl die gesetzliche als auch die private Krankenversicherung in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich teurer geworden sind, und dass dies mit hoher Wahrscheinlichkeit auch noch einige Zeit so bleiben wird. Medizinischen Fortschritt, neue Behandlungsmethoden und Medikamente gibt es nicht zum Nulltarif. Die spannende Frage ist, was wird schneller teurer, die private oder die gesetzliche Versicherung?

Meine These ist: Die Preise bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden stärker steigen. Warum?

Das doppelte Demografie-Problem der GKV


Die GKV hat ein doppeltes Demografie-Problem: Einerseits werden die Deutschen immer älter. Damit ist nicht in erster Linie gemeint, dass die individuelle Lebenserwartung steigt, was auch der Fall ist. Es geht eher darum, dass immer weniger Kinder geboren werden. Das bedeutet, das Verhältnis von Jungen und Alten verschiebt sich immer mehr zu einem starken Übergewicht der Alten. Für die gesetzlichen Krankenkassen bedeutet dies, dass es umso mehr Versicherte gibt, die vergleichsweise hohe Kosten verursachen. Denn der Beitragssatz ist für alle gleich. Doch die Jungen zahlen im Durchschnitt weit mehr ein, als sie an Kosten verursachen. Dadurch finanzieren sie die Alten mit. Denn die Senioren kosten mehr als sie einzahlen. Wenn es nun immer weniger Junge und immer mehr Alte gibt, kommt das System irgendwann in die roten Zahlen. Immer mehr Versicherte kosten mehr als sie an Beiträgen einzahlen.

Das zweite Demografie-Problem der GKV wird durch die Art der Finanzierung verursacht: Der Beitragssatz ist ein Prozentsatz vom Einkommen. Da die gesetzliche Rente deutlich niedriger liegt als das Einkommen der Arbeitnehmer, gehen automatisch auch die Einnahmen der Kassen zurück, wenn es immer mehr Rentner und immer weniger aktive Arbeitnehmer gibt. Oder, anders formuliert: Ausgerechnet jene Gruppe, die immer größer wird, verursacht besonders hohe Kosten und zahlt besonders wenig pro Person ein.

Die private Krankenversicherung ist von beiden Problemen nicht betroffen. Der Beitrag ist unabhängig vom Einkommen, d.h. dass es immer mehr Rentner gibt, hat für die Einnahmen der Konzerne keine Bedeutung. Außerdem gibt es in der privaten Krankenversicherung keine Umverteilung zwischen den Generationen. Die Beiträge müssen laut Gesetz so kalkuliert sein, dass sich jeder Geburtsjahrgang selbst finanziert.

Auch hier zahlen die Jungen zwar im Durchschnitt mehr ein als sie Kosten, doch mit dem Überschuss werden nicht die Alten finanziert. Stattdessen wird das Geld angelegt und dann ausgegeben, wenn die jetzt Jungen selbst alt sind und höhere Kosten verursachen.

Unsicherheitsfaktor Politik: Wie reagiert Berlin?


Doch all dies bedeutet nicht automatisch, dass die Beiträge in der GKV explodieren und in der PKV nur moderat steigen. Die Politik kann den Beitragssatz der gesetzlichen Krankenversicherung nicht beliebig erhöhen. Schließlich soll die Versicherung für jeden bezahlbar bleiben. Die Frage ist, was stattdessen passiert.

Denkbar wäre, dass Leistungen gestrichen werden. So wie man in der Vergangenheit etwa Sehhilfen für Erwachsene weitgehend aus dem Leistungskatalog genommen hat, könnte man auch Zahnbehandlungen streichen, was heute schon beispielsweise in Spanien der Fall ist. Ob dies einen Versicherten nun hart trifft oder nicht ist individuell. Er profitiert von vergleichsweise günstigen Beiträgen Dank der Leistungskürzung. Er ist jedoch im Nachteil, wenn er die gestrichenen Leistungen dringend benötigt und aus eigener Tasche zahlen muss. Diese individuelle Komponente macht es schwierig, eine allgemeingültige Kosten-Nutzen-Prognose für die GKV aufzustellen. Zumindest in diesem Punkt gilt: Eine wirklich Bilanz kann man wohl erst am individuellen Lebensende ziehen.

Es gibt noch einen zweiten Grund, warum die GKV trotz ihres Demografie-Problems nicht zwingend die schlechtere Wahl sein muss: Der Staat könnte die gesetzlichen Versicherungen auch aus Steuermitteln einen größeren Zuschuss als derzeit überweisen, um den Beitragsanstieg zu begrenzen. Das wäre für Privatversicherte doppelt bitter, weil es auch ihre Steuergelder wären, die dann ausschließlich den gesetzlich Versicherten zugute kämen.

Unwägbarkeiten auch im privaten System


Bei der privaten Krankenversicherung gibt es ebenfalls Unwägbarkeiten: Einerseits ist auch sie von der Politik abhängig, wenngleich deutlich weniger. Leistungen können im PKV-System nicht gestrichen werden, wenn sie vertraglich garantiert sind. Aber die Politik kann beispielsweise entscheiden, ob die Zwangsrabatte bei Arzneimitteln auch privat Versicherten zugute kommen oder nicht.

Eine vermutlich noch größere Bedeutung für die nächsten Jahrzehnte wird die angestrebte Neuordnung der Gebührenordnung für Ärzte haben. Der PKV-Verband versucht, durch eine Veränderung im System künftige Kostensteigerungen zu begrenzen. Eine große Rolle spielt dabei der robusten Einfachsatz. Künftig soll es Ärzten nicht mehr so leicht möglich sein, ihr Honorar bis auf den 3,5-Fachen Satz hochzuschrauben. Der einfache Satz - der dann freilich höher läge - soll zum Standard werden. 

Doch solche Verhandlungen können scheitern oder das Ziel der Kostenbegrenzung kann verfehlt werden. So sind nach der neuen Gebührenordnung für Zahnärzte 2012 die Kosten der privaten Krankenversicherungen für Zahnbehandlungen um 7 Prozent gestiegen.

Hinzu kommt, dass die Entwicklung bei den privaten Versicherungen von Gesellschaft zu Gesellschaft sehr unterschiedlich verlaufen kann. Die Frage, welches Unternehmen das Richtige ist, soll hier aber bewusst ausgeklammert werden.

Zusammenfassend spricht wegen des doppelten Demografie-Problems der GKV vieles dafür, dass die Kosten dort weitaus mehr aus dem Ruder laufen werden, als bei der privaten Konkurrenz. Da allerdings nicht klar ist, wie die Politik in den nächsten Jahrzehnten auf dieses Problem reagieren wird (GKV-Zuschuss aus Steuermitteln? Streichung welcher Leistungen?) folgt daraus nicht zwingend, dass man mit der privaten Krankenversicherung automatisch besser fährt. Und auch bei der PKV gibt es Unwägbarkeiten. Eine sichere Prognose, die sich über Jahrzehnte erstrecken müsste, ist nicht möglich.

Das ist keine sensationelle Erkenntnis, aber sie sollte misstrauisch gegenüber all jenen machen, die so tun, als wüssten sie ganz genau, was die Zukunft bringt. Solche "Experten" gibt es auf beiden Seiten, bei den gesetzlichen wie den privaten Versicherungen.

Ich habe für mich persönlich daraus folgenden Schluss gezogen: Da die Beitragsentwicklung in beiden Systemen beim besten Willen nicht sicher vorherzusagen ist, entscheide ich mich für die momentan günstigere Variante. In meinem Fall war das eine private Krankenversicherung. Das gesparte Geld (ca 100 Euro im Monat) gebe ich jedoch nicht aus, sondern lege es am Kapitalmarkt an - als Notreserve, sollte sich in einigen Jahrzehnten herausstellen, dass ich doch auf das falsche System gesetzt habe. Habe ich hingegen alles richtig gemacht, kann ich über das Geld im Alter frei verfügen.

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