Sonntag, 12. Oktober 2014

Die großen Unterschiede zwischen den einzelnen privaten Krankenversicherungen

Kommt es bei der Auswahl einer privaten Krankenversicherung tatsächlich auf das Unternehmen an, bei dem man abschließt? Kann man die gleichen Leistungen bei einem anderen Konzern für deutlich weniger Geld bekommen? Und ist die Ersparnis dann dauerhaft - oder fällt man nur auf ein Lock-Angebot herein? Hinter all diesen Fragen steht eine gemeinsame Grundfrage: Worin unterscheiden sich Krankenversicherer eigentlich?


Versierte Makler raten nicht selten zu Versicherungen, die bei gleicher Leistung mehr kosten als andere. Ihr Argument gegen günstigere Tarife: Wenn ein Unternehmen eine Versicherung mit vergleichbarem Leistungsumfang deutlich billiger anbietet als andere, dann ist der Tarif bewusst unterkalkuliert. Die Versicherung will nur viele Neukunden gewinnen. Bald schon würden die Preise deutlich steigen, argumentiert mancher Makler. Denn die Versicherten bei der günstigeren Versicherung würden ja nicht seltener krank und ihre Behandlung sei im Durchschnitt auch nicht billiger.

Ich habe an anderer Stelle schon einmal dargelegt, dass Makler oft ein finanzielles Eigeninteresse daran haben, jene Versicherung zu verkaufen, die teurer ist, weil sie dafür mehr Prämie bekommen. Dann muss man sich als Makler natürlich eine Begründung überlegen, warum die billigere Versicherung trotz gleicher Leistungen nicht die bessere Wahl ist.

Und die oben wiedergegebene Begründung mancher Makler klingt doch sehr überzeugend. Oder etwa nicht?

Die Verzinsung macht einen großen Unterschied


Im Beitrag über die Gefahr einer Beitragsexplosionen im Alter habe ich die Bedeutung der Zinsen für die private Krankenversicherung herausgestellt. Privatversicherte zahlen nur einen Teil ihrer Krankheitskosten tatsächlich selbst. Ein erheblicher Teil wird durch die Verzinsung der Altersrückstellungen erwirtschaftet. Sprich: Der Kapitalmarkt begleicht faktisch einen Teil Ihrer Arztrechnung.

Die Verzinsung, welche die privaten Krankenversicherer mit Ihren Altersrückstellungen am Kapitalmarkt erwirtschaften, ist aber nicht gleich. Die Spanne liegt derzeit - grob gesagt - zwischen 3 und 5 Prozent. Diese Differenz von zwei Prozentpunkten kann einen dramatischen Einfluss auf die Höhe der Beiträge haben.

Ein Beispiel: Nehmen wir an, ein 30-Jähriger versichert sich neu in der PKV, er habe eine Lebenserwartung von 80 Jahren und die Krankheitskosten, die er im Laufe seines Lebens verursacht, würden auf 500.000 Euro geschätzt. Wenn eine Versicherung nun 3 Prozent am Kapitalmarkt erwirtschaftet, dann muss sie rechnerisch einen monatlichen Beitrag von 363 Euro verlangen, um alle Kosten im Laufe des Versichertenlebens zu decken. Wenn eine Versicherung hingegen 5 Prozent Verzinsung erwirtschaftet, dann genügt - bei gleicher Leistung - ein Beitrag von 193 Euro monatlich um lebenslang alle Kosten zu decken.

Das Beispiel ist stark vereinfacht, unter anderem werden keine Preissteigerungen im Gesundheitswesen berücksichtigt, und auch nicht die Tatsache, dass ein Teil des Geldes schon für Behandlungen in jungen Jahren ausgegeben wird, und so keine Zinsen und Zinseszinsen mehr trägt. Aber es ist prima, um die generell große Bedeutung der Verzinsung für die kapitalgedeckte Krankenversicherung zu verdeutlichen.

Wie sich die einzelnen Unternehmen bei der Verzinsung schlagen, das veröffentlichen Branchendienste in regelmäßigen Abständen (etwa hier). Wichtig ist es, nicht ausschließlich die Zahlen eines Jahres zu betrachten. Wenn ein Unternehmen besonders gut abgeschnitten hat, sollte man auch nachschauen, ob es fünf Jahre vorher ebenfalls zu den Besten gehörte. Grundsätzlich sind diese Zahlen natürlich Informationen über die Vergangenheit. Sie bieten keine Garantie für die Zukunft. Aber ein Unternehmen, das in den zurückliegenden Jahren das Geld seiner Versicherten sehr gut angelegt hat, hat womöglich ordentlich Sachverstand im eigenen Haus, um auch in den nächsten Jahren eine gute Verzinsung zu erzielen.

Die Bedeutung der Abschlusskosten


Bleiben wir in obigem Beispiel und führen Abschlusskosten mit ein. Das ist jene Summe, die beispielsweise Makler erhalten, dafür dass sie einen neuen Kunden vermitteln. Es ist Geld, das den Versicherten nicht zur Verfügung steht, das nicht für sie als Altersrückstellung am Kapitalmarkt angelegt wird und Zins und Zinseszins einbringt.

Nehmen wir an, zwei Konzerne vertreiben eine identische Krankenversicherung. Ein Konzern verkauf seine Police über den Makler, der dafür 5000 Euro Provision pro Abschluss bekommt. Die andere Versicherung setzt auf online und berechnet nur 1000 Euro, etwa für Aufbau und Wartung des Computersystems beim Online-Vertrieb.

Die Differenz der Abschlusskosten beträgt also 4000 Euro pro Versichertem. Nehmen wird an, die Versicherung nimmt dieses Geld und legt es als zusätzliche Altersrückstellung am Kapitalmarkt an. Wenn wir wieder eine Versicherungszeit von 50 Jahren unterstellen bis zum Tod des Kunden und eine mittlere Verzinsung von 4 Prozent, dann werden aus diesen 4000 Euro Differenz innerhalb von 50 Jahren insgesamt 28.427 Euro.

Die eine Versicherung hat diese Summe als zusätzliche Altersrückstellung gebildet, um so die Krankheitskosten des Versicherten zu tragen, der anderen fehlt womöglich das Geld - und sie muss deswegen höhere Beiträge verlangen.

Auch diese Beispielrechnung ist vereinfacht, aber sie verdeutlicht prinzipiell, welchen Einfluss Abschlusskosten haben können - bei ansonsten identischen Tarifen.

Wie hier nachzulesen ist, sind die Abschlusskosten tatsächlich sehr unterschiedlich. 2011 gaben effizient arbeitende Unternehmen etwa 4 Prozent ihrer Bruttobeiträge für die Gewinnung von Neukunden aus. Andere verwendeten mehr als 20 Prozent der Beiträge ihrer Versicherten darauf. 2012 wurden die Maklerprämien vom Gestzgeber auf 9,9 Monatsbeiträge begrenzt. Dadurch sind die Abschlusskosten im Schnitt gesunken, aber die Unterschiede zwischen den einzelnen Konzernen bleiben erheblich.

Wer steht hinter einer Krankenversicherung?


Für manche Interessenten kann auch die Rechtsform einer Versicherung Bedeutung haben. Ist das Unternehmen Teil eines großen Finanzkonzerns, dessen Aktien an der Börse gehandelt werden? Oder steht dahinter ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, der den Versicherten gehört?

Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit verweisen oft darauf, dass es bei ihnen keine Aktionäre gebe, die mit den Versicherten Geld verdienen wollten. Dadurch könnten sie günstigere Produkte anbieten, denn der Versichertengemeinschaft werde kein Geld entzogen. Das gelte auch dann, wenn die Krankenversicherung selbst zwar die Rechtsform einer Aktiengesellschaft hat, einziger Aktionär aber ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ist.

Andere argumentieren hingegen, dass es viel besser sei, wenn hinter einer Krankenversicherung international operierende Finanzprofis stehen, weil die besser wüssten, wie man ein Unternehmen effizient betreibt und Rendite erwirtschaftet. Und diese Rendite komme am Ende auch den Versicherten zugute (siehe oben: kapitalgedecktes Verfahren).

Ich kenne keine Untersuchung, die eindeutig belegt, dass das eine oder das andere System besser ist. Vielleicht ist es eine Typfrage, bei welcher Art von Versicherer man unterschreiben will - und wem man mehr Vertrauen entgegen bringt.

Ist die Versicherung zahlungsfreudig oder geizig?


Einen sehr viel greifbareren Einfluss hat die "Zahlungsfreudigkeit" eines Unternehmens im Schadensfall, also dann wenn die Versicherten ihre Arztrechnungen einreichen. Auf den ersten Blick wünschen sich Versicherte oft ein Unternehmen, das ohne Probleme alle Auslagen erstattet. Die Versicherungsbedingungen könnten aus einem Satz bestehen: "Machen Sie was Sie wollen, wir zahlen alles!"

Das Problem ist nur: Keine private Krankenversicherung kann Geld drucken. Wenn sie alles klaglos zahlt, werden also die Beiträge extrem hoch sein. 

Umgekehrt: Wenn ein Unternehmen sehr pingelig ist und viele Rechnungen hinterfragt, möglicherweise häufiger die Zahlung verweigert, dann sind die Versicherten genervt. Immer Ärger mit der Krankenversicherung - wer will das schon?

Im Grunde muss eine Versicherung einen guten Mittelweg finden. Sie darf keinesfalls alles bezahlen, sonst wird sie selbst unbezahlbar, aber sie darf auch nicht ständig Ärger machen, weil sonst den Versicherten der Geduldsfaden reißt. Bedenken Sie das, wenn Sie andere Privatversicherte nach Ihren Erfahrungen mit Konzern XY fragen. Die Aussage "die zahlen immer alles" muss nicht unbedingt gut sein, und die Aussage "die kontrollieren sehr genau" ist nicht zwangsläufig schlecht. 

Natürlich ist grundsätzlich in den Versicherungsbedingungen festgelegt, was bezahlt wird und was nicht. Aber da gibt es durchaus Interpretationsspielraum, zum Beispiel bei der Standard-Klausel, dass eine Behandlung das Maß des medizinisch Notwendigen nicht überschreiten darf. Das ist juristisches "Gummi", das notfalls gerichtlich überprüft werden muss.

Manche Versicherungen sind übrigens auch dann sehr kundenfreundlich, wenn sie eine Arztrechnung für teilweise unberechtigt, falsch oder überhöht halten. Sie bitten dann den Versicherten, eine sogenannte Abtretungserklärung zu unterschreiben, zahlen ihm die volle Rechungssumme aus und versuchen anschließend, sich vom Arzt den Teil des Geldes wiederzuholen, der nach Ansicht der Versicherung zu Unrecht in Rechnung gestellt wurde.

Ein Hinweis darauf, ob eine Krankenversicherung eher großzügig zahlt oder häufig Leistungen ablehnt, kann die Beschwerdestatistik der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sein, die unter anderem hier abrufbar ist. Sie gibt an, wie viele Kunden sich über die jeweilige Versicherung bei der Bundesanstalt beschwert haben. Im Jahr 2013 gingen im Durchschnitt 3,7 Beschwerden pro 100.000 Verträge ein. Wenn es bei einer bestimmten Versicherung doppelt so viele waren, kann das ein Hinweis darauf sein, dass eingereichte Rechnungen sehr genau kontrolliert und Zahlungen häufiger verweigert werden. Ist die Beschwerde-Quote nur halb so hoch, wird womöglich eher großzügig gezahlt. Allerdings ist es nur ein Indiz. Man darf die Beschwerdequote nicht überbewerten. Sie sagt beispielsweise nichts darüber aus, ob eine Beschwerde zu Recht erfolgte.

Weitere Unterschiede im Überblick


Es gibt noch weitere Punkte, warum die Prämien verschiedener Versicherungen trotz gleicher Leistungen stark differieren können: Bei Tarifen mit wenigen Versicherten ist die Gefahr von "statistischen Ausreißern" naturgegeben groß. Ein paar (sehr teure) HIV-Erkrankungen mehr in einem Jahrgang etwa können hier schon zu erheblichen Kostensteigerungen führen. Umgekehrt können ein paar Erkrankungen weniger zu deutlich geringeren Beiträgen führen. Ausreißer sind also in beide Richtungen möglich. Tarife mit wenigen Versicherten finden sich entweder bei kleinen Versicherungen, aber auch bei größeren, die eine Vielzahl verschiedener Tarife vertreiben und alle paar Jahre etwas Neues auflegen.

In der Annahmepolitik neuer Versicherter unterscheiden sich die Unternehmen ebenfalls deutlich. Manche haben eine sehr genaue Gesundheitsprüfung und verlangen schnell Beitragszuschläge (etwa bei Übergeweicht), andere schauen beim Thema teure Vorerkrankungen nicht so genau hin und wollen lieber schnell viele Kunden gewinnen. Wieder andere haben besonders viele Beamte versichert, denen manche unterstellen, sie seien im Durchschnitt gesünder, etwa weil sie nicht so viel Stress und Zukunftsängste haben. All das kann eine Rolle spielen, aber es ist schwer zu quantifizieren.

Unterm Strich: Auch wenn für alle privaten Krankenversicherungen die gleichen gesetzlichen Regeln gelten, so kann es doch erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Gesellschaften geben. Diese Unterschiede sind weitaus größer als in der gesetzlichen Versicherung und können sich - bei gleichen oder ähnlichen Leistungen - in deutlich höheren oder niedrigeren Beiträgen bemerkbar machen. Schauen Sie also genau hin, insbesondere wenn es darum geht, ob eine Versicherung viel Geld für Makler ausgibt und ob sie für das Geld der Versicherten einen ordentlichen Zinsgewinn erzielt.

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