Sonntag, 12. Oktober 2014

Explodieren die Beiträge zur privaten Krankenversicherung im Alter?

Die Angst vor unbezahlbaren Beiträgen im Alter ist ein wesentlicher Grund, warum viele Versicherte lieber in einer gesetzlichen Krankenkasse bleiben. In der Tat birgt die kapitalgedeckte Finanzierung der privaten Krankenversicherung (PKV) systemimmanent Risiken speziell für Ältere. Es gibt einige wichtige Punkte, die man in jungen Jahren unbedingt beachten sollte, um nicht später wegen hoher Beiträge in Bedrängnis zu kommen.

Die private Krankenversicherung ist kapitalgedeckt finanziert. Im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung. Dort werden die laufenden Einnahmen sofort wieder ausgegeben. In der Privaten werden sie überwiegend am Kapitalmarkt angelegt, als Rücklage für später, wenn die Versicherten alt und die Kosten hoch sind.

Extrem vereinfacht ist die private Krankenversicherung folgendermaßen kalkuliert: Wenn ein Kunde eine Versicherung abschließen möchte, schätzt das Unternehmen, wie hoch die gesamten Krankheitskosten sein werden, die der Versicherte bis zum Ende seines Lebens verursachen wird. Diese Kosten werden dann auf gleichmäßige Monatsbeiträge aufgeteilt.

Ein kleines Beispiel: Nehmen wir an, der Kunde sei 30, seine Lebenserwartung liege bei 80 Jahren und die geschätzten Kosten bei 500.000 Euro. Dies bedeutet: 50 Jahre lang wird der Kunde 12 Monatsbeiträge an die Versicherung überweisen (=600 Überweisungen). Entsprechend muss die monatliche Prämie bei 833,33 Euro liegen. Dann wird der Versicherte im Laufe seines Lebens 600 x 833,33 Euro = 500.000 Euro einzahlen und somit seine Kosten selbst decken.

Rechnerisch werden alle Versicherten eines Geburtsjahrgangs zusammengefasst. Es wird Leute geben, die häufiger krank sind, andere seltener. Aber wenn die Versicherung gut kalkuliert hat, dann kommt die Rechnung im Durchschnitt hin. Der Beitrag bleibt ein Leben lang gleich.

Aus diesem simplen Beispiel lässt sich schon sehr viel ablesen. Stellen wir uns vor, der selbe Kunde würde den gleichen Tarif erst mit 40 abschließen. Dann hätte er zehn Jahre weniger Zeit, Geld für seine Krankheitskosten, die überwiegend im hohen Alter anfallen, anzusparen. Also muss seine monatliche Prämie mit 40 deutlich höher sein als die Prämie eines anderen 40-Jährigen, der die gleiche Versicherung schon mit 30 abgeschlossen hat.

Wenn Sie also hören, dass eine private Krankenversicherung für Ältere sehr teuer ist, dann bezieht sich das oft auf jene Interessenten, die erst im vorgerückten Alter einen PKV-Tarif abschließen wollen. Das ist ein verbreitetes Problem, weil sich Angestellte nur dann privat versichern dürfen, wenn ihr Gehalt oberhalb der Versicherungspflichtgrenze liegt. Da Berufseinsteiger meist weniger verdienen, ist der Weg in die private Krankenversicherung nicht selten erst dann möglich, wenn er sich wegen des vorgerückten Alters schon nicht mehr rechnet.

Beitragsexplosion im Alter: ein Besispiel


Bleiben wir aber noch bei obigem Rechenbeispiel und machen eine zusätzliche Annahme: die Versicherung hat sich verkalkuliert! Die Krankheitskosten liegen im letzten Lebensjahr um 50.000 Euro höher als ursprünglich angenommen. Insgesamt belaufen sich die Krankheitskosten demnach auf 550.000 Euro über das gesamte Versicherten-Leben.

Zwei Varianten: Nehmen wir zunächst an, die Fehlkalkulation fällt unmittelbar zu Beginn der Versicherung auf, wenn unser Privatpatient noch 600 Monatsbeiträge vor sich hat, die er in seinem Leben zahlen muss. Der monatliche Beitrag würde sich demnach von 833 auf gerundet 916 Euro erhöhen - ein Plus von 83 Euro im Monat.

Nehmen wir nun an, die Fehlkalkulation wird erst entdeckt, wenn der Versicherte schon 70 Jahre ist. Dann bleiben ihm nur noch zehn Jahre, also 120 Monatsbeiträge, um die zusätzlichen 50.000 Euro aufzubringen. Die monatliche Rate müsste für den 70-Jährigen um 416 Euro steigen, von 833 Euro auf 1250 Euro. Das ist eine Beitragssteigerung von roundabout 50 Prozent für den 70-Jährigen, und das obwohl die Gesamt-Krankheitskosten auf sein Versichertenleben gerechnet nur um zehn Prozent, von 500.000 auf insgesamt 550.000 Euro gestiegen sind.

An diesem Beispiel lässt sich denkbar treffend ein wichtiger Nachteil des kapitalgedeckten Verfahrens aufzeigen: Wenn Fehlkalkulationen erst dann entdeckt werden, wenn versicherte schon alt sind, drohen extreme Beitragssteigerungen. Der Grund: Bei Älteren bleibt nicht mehr viel Zeit, das zusätzlich benötigte Geld anzusparen. Entsprechend stark müssen die monatlichen Beiträge steigen.

In der Realität ist das Problem noch gravierender


Das obige Beispiel ist extrem vereinfacht. Unter anderem werden die angesparten Gelder der Versicherten in dem Beispiel nicht verzinst, was in der Realität natürlich der Fall ist. Die Versicherungen legen das Geld am Kapitalmarkt an und erwirtschaften zwischen 3 und 5 Prozent pro Jahr. Das klingt nicht viel, aber über den Zinseszins-Effekt ist die Wirkung im Laufe eines Versichertenlebens gewaltig!

Nehemen wir an, die Versicherung legt das Geld zu 4 Prozent an. Im Laufe von 40 Jahren werden so aus jeden hundert Euro satte 480 Euro. Erst einmal ist das ausgesprochen positiv: Privatversicherte zahlen faktisch nur einen Teil ihrer Krankheitskosten. Ein erheblicher Teil der Kosten wird am Kapitalmarkt erwirtschaftet. 

Im konkreten Beispiel von oben mit den 500.000 Euro Gesamt-Krankheitskosten bedeutet das: Wenn die Versicherung 4 Prozent Rendite mit ihren Anlagen erwirtschaftet, dann kann der monatliche Beitrag für die Versicherten von 833 Euro auf 429 Euro abgesenkt werden. Am Ende des Versichertenlebens stehen dennoch die vollen 500.000 Euro zur Verfügung.

Das ist eigentlich alles ausgesprochen positiv, doch unter der Blickwinkel einer möglichen Beitragsexplosion im Alter verschärft sich das Problem durch die Zinsen. Denn der Zinseszins-Effekt fällt ums stärker aus, je länger angespart wird. Umso größer ist aber nötige prozentuale Beitragssteigerung, wenn eine Fehlkalkulation erst dann entdeckt wird, wenn Versicherte schon älter sind.

Um das obige Beispiel fortzuführen: Wird erst entdeckt, dass die Krankheitskosten um 50.000 Euro höher liegen als ursprünglich veranschlagt, wenn der Versicherte schon 70 Jahre alt ist, dann muss (bei einer Verzinsung von 4 Prozent) der monatliche Beitrag um 339 Euro steigen, also von 429 auf 768. Das ist eine Beitragssteigerung von knapp 80 Prozent. In der obigen Betrachtung ohne Zinsen lag die Beitragssteigerung unter sonst gleichen Bedungungen bei "nur" rund 50 Prozent.

Maßnahmen gegen Beitragsexplosion im Alter


Es gibt also in einem kapitalgedeckten System für ältere Versicherte ein deutlich erhöhtes Risiko, mit stark steigenden Beiträgen konfrontiert zu werden. Dahinterstehende Fehlkalkulationen von Versicherungen kommen immer wieder vor und lassen sich kaum vermeiden. Wer will schon die Entwicklung von Krankheitskosten über Jahrzehnte mit Sicherheit vorhersagen?

Dennoch gibt es Möglichkeiten, gegenzusteuern:  Einerseits wird auf alle Versicherungsbeiträge ein Zuschlag von zehn Prozent erhoben - bis zum Alter von 60 Jahren. Ab dem 65. Lebensjahr der Versicherten wird das Geld dann eingesetzt, um Beitragssprünge zu vermeiden oder abzumildern. Dieser Zuschlag ist seit der Gesundheitsreform 2000 gesetzlich vorgeschrieben und bei allen Versicherungen gleich.

Darüber hinaus bieten viele private Krankenversicherer die Möglichkeit, einen Zusatzbaustein "Beitragsermäßigung im Alter" abzuschließen. Sie zahlen monatlich etwas mehr, dafür sinkt Ihr Versicherungsbeitrag ab einem vorher festgelegten Alter (heute meist 65 oder 67) um einen festgeschriebenen Betrag. 

Der Vorteil dieses zusätzlichen Sparens besteht darin, dass Ihr Arbeitgeber die Hälfte der Kosten übernimmt (so lange ihre Versicherung nicht teurer ist als die gesetzliche Krankenversicherung maximal wäre). Der Nachteil ist, dass das angesparte Geld bei der Versicherung verbleibt, falls Sie das PKV-Unternehmen wechseln oder sterben, bevor die Beitragsreduktion zum Tragen kommt.

Entsprechend können Sie auch privat zusätzliche Vorsorge treffen, etwa mit einem Fonds-Sparplan. Der Nachteil ist jedoch: Sie müssen diszipliniert sein und dürfen das Geld nicht anderweitig ausgeben. Und ihr Arbeitgeber beteiligt sich nicht an dieser Form der zusätzlichen Vorsorge.

Im Regelfall ist eine private Krankenversicherung insbesondere für gut verdienende Angestellte in jungen Jahren günstiger als die gesetzlichen Krankenkassen - selbst wenn man einen Tarif mit sehr hohen Leistungen wählt. 

Mein Tipp: Geben Sie die Ersparnis nicht aus, sondern legen Sie sie zur Seite, je hälftig durch einen Zusatzbaustein Beitragsreduktion und durch eine eigene Anlage, etwa in Form eines Fondssparplans. Ich denke, dann ist es extrem unwahrscheinlich, dass Sie im Alter ihre PKV nicht mehr bezahlen können und in einen billigeren Tarif mit schlechten Leistungen wechseln müssen. Sollte sich später herausstellen, dass der gesetzliche Zuschlag schon ausgereicht hätte, um Beitragssprünge zu vermeiden, dann haben Sie zu viel gespart - und können sich überlegen, was Sie dann mit dem Geld machen. Es gibt schlimmere Probleme...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen